Internetprobleme am Abend. Heute morgen die Diskussion mit der Gastgeberin, was wir hätten machen sollen, damit die tarjetica nicht nutzlos ablief. Inzwischen ist klar, dass wir für die ganze Wohnung den Zugang kaufen. Wenn es für uns nicht funktioniert, muss es zentral ausgeschaltet werden, sonst läuft es zwar für uns nutzlos ab, wer am PC sitzt surft aber ohne Probleme weiter. Wieder was gelernt. Miriam nun im Netz mit unserem Kompi und ich schreibe auf Papier.
Aufgeweckt mit der dringenden Bitte, in Matanzas anzurufen und zu klären, ob wir überhaupt dort hin wollen. Improvisieren ist schwierig. Wir sind offenbar zu anspruchsvoll (zu alt? zu verwöhnt? verunsichert?) um einfach so in den Tag zu leben und uns an dem zu freuen, was so gerade läuft. Wir erleben gute Zufälle (rumsitzen und warten wird zum anthropologisch interessanten und menschlich wertvollen Moment). Aber wir können uns nicht einfach dem Zufall überlassen. Planen ätzt. Wir machen das seit einem Jahr und mittlerweile täglich. Es wird aber auch mit der Zeit einfacher, problemloser, konfliktärmer. Wir haben uns daran und aneinander gewöhnt. Nach dreißig Jahren lernen wir uns noch einmal besser kennen. Miteinander reisen können ist Glück.
Gestern Abend Gespräch mit Dayan, Freund der rührigen Tanya Abraham, die wir über Lanfranco Aceti, einem Kunstmanager in Boston, kennengelernt haben und die uns äußerst hilfreiche Kontakte vermittelt hat. Auf Dayan in Alt-Havanna wartend hatten wir Zeit, an der Straße zu sitzen und Leute zu beobachten.
Etwa die alte Dame, die uns anbettelte. Sie ist offenbar gut in der Nachbarschaft (Teniente Rey/Brasil, zwischen Aguiar und Habana) bekannt. Sie winkte oder rief manchen Passanten zu, die auch freundlich antworteten. Sie setzte sich zu uns auf die Steinbank und gab Miriam den typisch kubanischen Wangenkuss (nur eine Wange, normalweise die rechte) bevor sie uns eröffnete, dass ihr nichts geblieben sei, die Einleitung zum persönlichen Fundraising. Um sich der etwas zu vertraulichen Dame zu entziehen ging Miriam spontan auf die Dame zu, die mit ihrem Hund gerade aus der casa gegenüber gekommen war, sprach sie an und ließ sich die Wohnung zeigen. Mittlerweile widmete sich die alte Dame zu meiner linken meiner Wenigkeit. Sie hatte mir schon einen Peso und einen zahnlosen Schluck aus der Wasserflasche abgerungen, da rief mich Miriam von oben. Ich solle heraufkommen und mir die Wohnung ansehen. Sie wird von zwei älteren unverheirateten Schwestern geführt, die in dem Haus aufgewachsen sind. Lebensklug, humorvoll, gelassen, die eine etwas mehr tough geschäftstüchtig als die andere. Sie haben auch ein häßliches und schmusebedürftiges Hundefräulein. Vor unserer Abreise einigten wir uns noch mit den beiden Damen. Wir werden dort mit Rachel wohnen, wenn sie uns Mitte Juni in Havanna besucht. Sicher ist sicher.
Noch ein Erlebnis war der Junge, ungefähr zehn oder elf, der auf der Straße vor Dayans Wohnung mit Stöcken spielte und sich ein Katapult gebaut hatte, mit dem er ein Gummistück hoch in die Luft schleudern konnte. Wir versuchten zu raten, zu welchem Haus er gehörte, was nicht klar war, denn er rief hier und dort hinein oder hinauf, ging hier und dort hinein und kam wieder heraus und spielte weiter. Irgendwann wurde er auf uns aufmerksam. Er amüsierte sich über die seltsamen Leute, die vor einer offenen Tür auf dem Randstein saßen und nicht hineingingen.
Dayan, schlank und künstlerisch drei-Tage-bärtig , gepflegt mit intellektueller Brille, ist Restaurateur. Gato Prieto, das wir am Abend zuvor geschlossen fanden, ist sein Lokal, das er mit seinem Lebenspartner, einem Spanier, gegründet hatte. Leider lief das Geschäft nicht so gut. Vielleicht war es die Lage, aber vermutlich hatte es noch andere Gründe. Während Gato Prieto zum Umbau geschlossen ist bauen sie gleichzeitig das Haus seiner Mutter in Centro Habana um, um dort ein zweites Lokal zu eröffnen. Z.Zt. ist der Freund allerdings in Spanien und Dayan wohnt bei seiner Mutter. In Alt-Havanna haben sie noch eine Wohnung, die ebenfalls gerade renoviert wird. Jetzt oder nie, meinte er, obwohl er nicht vom Erfolg seiner Unternehmen überzeugt war. Die Lage sei zwar nicht völlig aussichtslos, aber der große Aufschwung, den die privatwirtschaftlichen und unternehmerischen Erleichterungen der letzten Jahre versprachen, sei bislang ausgeblieben. Uns blieb der Eindruck von Verunsicherung.