Sonntag, 21. Mai 2017, 1:10 morgens
Wir sind in Santa Clara, bei Maikel und Katya, im Haus Itaca. Das Haus ist nach oben modernistisch ausgebaut, z. T. noch im Rohbau, ein Kontrast zum kolonialen und etwas heruntergekommenen Stadtbild, das uns am Busbahnhof begrüßt hatte. Dort wurden wir von Taxifahrern bzw. deren Fahrtvermittlern (Taxi! Taxi!) belagert und ein Mensch mit Glubschaugen pries seine casa an, wollte dann aber nicht locker lassen, als wir dankend ablehnten, und rief uns empört die Vorteile seines Gästehauses hinterher. Draußen standen einige der ortstypischen Pferdewagen. Unser Fahrtvermittler bugsierte uns in einen grünen Lada. Es folgte eine rasante Taxifahrt durch enge Straßen (war das eine Prostituierte, die da in der Tür stand?) Sobald wir in Itaca eintraten, war Ruhe. Maikel bereitete uns einen frisch gepressten Mangosaft zu und erklärte uns die Stadtkarte, vergnügt, gastfreundlich und auf Englisch.
Unser Aufenthalt in Santa Clara ist auf zehn Tage angesetzt, damit wir nicht gleich wieder packen müssen. Die Leute am Bahnhof fragten uns, was wir denn so lange hier wollten. Die einzige wirkliche Attraktion des Ortes sei das Mausoleum von Commandante Ché, und das kann man sich in einer Stunde ansehen. Gerade deshalb finden wir Santa Clara gut. Unsere Indienerfahrung hatte uns gezeigt, dass wir wenig Geduld für Städtetourismus haben. Wir hatten es geschafft, drei Monate in Indien zu verbringen ohne das Taj Mahal zu sehen. Wir wollen an diesem etwas abseits gelegenen Ort eine Weile zubringen und unsere Uhr nach unseren eigenen Interessen stellen. Miriam und ich haben vor, über die Illustrationen zu meinem Jerusalembuch nachzudenken. Vielleicht kann sie etwas dazu entwerfen, solange wir hier sind. Außerdem will sie besser Spanisch lernen. Morgen packen wir aus.
Die Türen sind offen. Es weht eine leichte Brise.
Montag, 22. Mai 2017. Kurz nach acht Uhr abends.
Inzwischen sind wir schon zwei Tage an diesem ruhigen Ort
(„es mui tranquilo aqui“), und doch sind unsere Tage immer noch so voll, dass ich mit dem Schreiben nicht hinterher komme. Wir hören und sehen viel, laufen herum, verbringen Zeit in der Herberge, unterhalten uns vor allem mit Katya (Maikel ist meistens beschäftigt, genau wie der vierjährige Sohn, Ulysses) und mit Zufallsbekanntschaften. Wenn Kubaner erst einmal ins Reden kommen, hören sie so schnell nicht wieder auf.
Man darf es hier nicht eilig haben. Zeit brauchten auch unsere wiederholten Versuche, ins Internet zu kommen. Hierzu gehen wir immer wieder zum nahe gelegenen Stadtplatz mit der kleinen Konzertrotunde, der Statue der Erbin und Kulturmäzenin Marta Abreu und dem per Post aus den Vereinigten gelieferten „Jungen mit dem Stiefel“.Für die Arbeit zuhause musste ich plötzlich dringend einen strategischen Text verfassen, den ich heute erfolgreich abschicken konnte. Kurz danach lief meine tarjeta ab. Später gingen wir ins Etecsa Büro und benutzten dort einen Rechner um unsere Email zu lesen. Gestern Abend gab es ein Platzkonzert mit einem Jugendsymphonieorchester, eröffnet mit der kubanischen Nationalhymne. Dazu standen alle auf.
Ich kam mit einem älteren Herrn ins Gespräch, der gut Englisch sprach. Seine Frau war dabei, sagte aber nichts. Er ist an die Achtzig, erfolgreicher Geschäftsmann. Ein Sohn ist auf einer medizinischen Mission in Bolivien. Der andere Sohn ist Rettungsflieger bei der Armee. Robert vermittelt für casas particulares am Ort den Zahlungsverkehr aus den USA. Die Kreditkartenzahlungen für Buchungen bei AirBnB laufen über eine Bank in Florida, gehen dann über Panama und landen dann bei einem Mittelsmann wie Robert, der offenbar gute Verbindungen hat. Haus Itaca kennt er. Dort will er morgen zur Abrechnung vorbei kommen. Als das Konzert zu Ende ging, lud uns Robert zu einem Eiskrem ein. Wir nahmen dankend an.
Heute hat Miriam ihre erste Spanischstunde bei Katya. Inzwischen hat sie hier in einem der noch unfertigen Zimmer ein kleines Studio eingerichtet und mit dem Zeichnen begonnen. Auch hier finden wir auf unseren Spaziergängen wieder Samenträger, Blüten und andere organische und anorganische Gegenstände, die denen ähneln, die Miriam in Indien gefunden und gezeichnet hat. Auch hier die Hinweise auf Migration von Menschen, Pflanzen, und Tieren. Von den Touristenschwärmen ganz abgesehen.
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trunnion ball valve posted on August 26, 2022 at 2:20 am
Santa Clara, Villa Clara, Hostal Itaca | Michael Zank1661494808