Samstag, 20. Mai 2017

Kurz vor der Weiterfahrt nach Santa Clara. Der Bus fährt um sieben Uhr abends ab. Jetzt ist es halb sechs. Antonio will uns ein Taxi besorgen. Zum Laufen haben wir zu viel Gepäck. Es gibt schon wieder viel nachzutragen. Die Zeit hier war voll kleiner Erlebnisse und Begegnungen.

Der tropische Regen kam gestern wieder und es war wieder ein Ereignis. Diesmal überraschte er uns in der Galeria Taller auf der Álvarez Straße am Nordufer des San Juan Flusses, nicht weit von einer Musikhochschule, einer Druckerei und dem Feuerwehrmuseum. Man erkennt die Werkstatt an einer Gruppe von überlebensgroßen Skulpturen, die gleich gegenüber am Ufer entlang die Promenade zieren.

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Auf die Keramikwerkstatt und auf Manuel, einen ihrer Gründer, hatte uns wiederum Tanya Abraham aufmerksam gemacht, die mit Manuel seit ihrer Kindheit bekannt ist. Manuel war früher ein erfolgreicher Regimekarikaturist. Heute lebt er von Keramik.

Der ehemalige Karikaturist Manuel zeigt Miriam seine selbstgemachten Pinsel.

Der ehemalige Karikaturist Manuel zeigt Miriam seine selbstgemachten Pinsel.

Die Werkstatt ist vor allem den Bemühungen des Bildhauers Osmany Betancourt Falcón, besser bekannt als „Lolo“, zu verdanken, der nach und nach das Gebäude, in dem sie arbeiten, ausbilden und ausstellen, ausgebaut hat. Wir konnten uns von der abenteuerlichen Blechdachkonstruktion ein eigenes Bild machen, als der tropische Nachmittagsregen wieder losbrach. Wir waren gerade dabei, unsere ersten keramischen Gehversuche zu unternehmen. Trotz des hier und dort heruntertropfenden Regens unterbrachen weder die Meister noch ihre Schüler die Arbeit. Unsere Unterhaltung plätscherte munter weiter. Irgendwann hörte es wieder auf und wir setzten unsere Runde fort.

Lolo Betancour und seine Kollegen auf einem "Narrenschiff."

Lolo Betancourt und seine Kollegen auf einem “Narrenschiff.”

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Am Vormittag hatte uns Antonio in der Herberge abgeholt. Ursprünglich sollte es eine Probe seiner Musikgruppe geben, die eine Tanzvorstellung des Balletts begleitet, mit dem er regelmäßig arbeitet. Das Programm war inzwischen kurzfristig geändert worden. Seine Gruppe spielte nicht, aber das Ballett tanzte zwei Stücke für eine Gruppe von Kirchenleuten aus Kanada. Ziel ihrer Reise war es, Gruppen zu unterstützen, die sich für LGBTQ Menschen engagieren. Das erste Stück war konventionell, eine typisch zeitgenössische Choreographie zum Thema Kommunikation. Ich fand es kompetent und schön. Miriam war weniger überzeugt. Neben mir saß eine kleingewachsene Dame, Kubanerin, von der ich zuvor bemerkt hatte, dass sie der Übersetzerin kritisch zugehört hatte, als diese dem Publikum das Konzept der bekannten Choreographin erklärte. Ich fragte sie nun, wie sie das Stück fand. Sie sagte, „I love dance. But please don’t ask me that.“ Mit anderen Worten: Frag mich bloß nicht. Später sprachen wir noch eine Weile. Die Dame arbeitet als Reisefachfrau in Havanna und sie hatte diese Gruppenreise organisiert. Wir sollten uns gerne mit ihr in Verbindung setzen, wenn wir wieder dort sind.

Das zweite Stück stellte spielerisch die Erfahrung der Truppe auf einer Frankreichreise dar. Es hatte viel Humor und verband Elemente von sprachlichem und mimischem Witz mit kritischen Beobachtungen, vor allem zur sexuellen Objektivierung des jungen dunkelhäutigen Mannes aus Sicht westlicher, hellhäutiger Frauen.  IMG_4426 IMG_4427 IMG_4430 IMG_4431 IMG_4432

 

Eine politische Pointe gab es auch. Anfangs, aus Kuba ankommend, trugen die Tänzer Binden über den Augen, wie man sie auf Reisen gebraucht, um ungestört schlafen zu können. Am Ende, die Rückreise darstellend, trugen sie Sonnenbrillen. In beiden Fällen waren sie blind und hilflos auf einander angewiesen. Außergewöhnlich auch, dass in diesem Fall die Choreographin, eine beleibte Dame um die Sechzig, selbst eine Hauptrolle tanzte. Von Marc Morris und Bill T. Jones ist man das gewöhnt. Von Frauen fortgeschrittenen Alters weniger.

Den Höhepunkt der beiden Tage in Matanzas bildeten die Perkussionsstunden mit Antonio und dessen Cousin Yasmino im Hause seiner Mutter, Sra. Ana. Diese war, wie wir erst beim Abschied erfuhren, Mitglied des weltberühmten und Grammy-preisgekrönten Ensembles Los Muñequitos de Matanzas. Erst gestern erhielt sie erneut eine Auszeichnung vom kubanischen Staat. Das Haus der Dame ist reichhaltig mit Heiligenfiguren, Altären und Symbolen der Santeria ausgestattet. Antonio und sein Cousin sind Babalaos, Priester der Santeria. Die Bata Trommeln sind heilige Instrumente. Die Rhythmen rufen nicht nur bestimmte Götter an sondern erzeugen Chango. Die Trommeln sind sein Kopf (Iya), seine Arme (Itotele), und sein Körper (Ommele) und die genau festgelegten Klangmuster flößen ihm das Leben ein. Musik als theurgische Magie. Gestern hatte ich meine erste Stunde. Heute morgen die zweite und einstweilen letzte.

Sra. Ana mit ihrem Grammy.

Sra. Ana mit ihrem Grammy.

Unser erstes Treffen dauerte ungefähr neunzig Minuten, aber ich hatte kein Gefühl vom Verlauf der Zeit. Antonio begann mit einer allgemeinen Einleitung in die Mythologie der Yoruba-Religion, die Götter Westafrikas und deren Beziehung zur antiken Mythologie und der Welt der katholischen Heiligenfiguren mit denen die Orishas identifiziert werden. Die komplizierten Polyrhythmen prägen sich nicht leicht ein. Bis zum Abend hatte ich alles wieder vergessen. Am nächsten Morgen fiel mir das eine oder andere wieder ein und ich kam mir bei der zweiten Stunde nicht mehr ganz so dumm vor.

Antonio, der sich bis zu unserer Abreise sehr um uns kümmerte, gab uns eine Empfehlung an seinen Lehrer in Santiago mit. Dort soll mein Unterricht in foundation drumming weitergehen. Zunächst aber geht es nach Santa Clara, zum Verschnaufen, Innehalten, to catch our breaths.

Bei Rolli und Abel in Cotorro. Wolkenbruch in Matanzas

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Antonio Gonzales, his aunt and cousin, in Matanzas.

Es ist mittlerweile Freitag, der neunzehnte Mai. Wir sind seit gestern in Matanzas, Hauptstadt der gleichnamigen Provinz. Wir kamen gestern kurz nach Mittag mit dem Bus hier an. Ein junger dunkelhäutiger Mann mit buckteeth und Sonnenbrille sprach uns an, als wir aus dem Bus stiegen. „Are you Lisa’s friends?“ Ich sagte nein und begab mich auf die Suche nach unserem Gepäck, drei Rucksäcken, die unter etlichen Koffern im Gepäckraum des Busses (made in China) begraben waren. Nachdem wir sie endlich gefunden und herausgezogen hatten, entpuppte sich der junge Mann mit den hervorstehenden Zähnen als Antonio. Er hatte die Namen verwechselt. Und wir hatten uns einen älteren Menschen vorgestellt, nicht jemand Mitte Zwanzig. Er fand uns ein Taxi und fuhr mit zur Herberge, die er für uns gefunden hatte. Die casa particular von Manolo, in der wir ursprünglich absteigen wollten, sei inzwischen schon besetzt gewesen. Als wir bei Louisa Carmen in der Altstadt (Calle 75) ankamen und die Rucksäcke vom Dach des kleinen Fahrzeugs holten bemerkte Miriam, dass am großen Rucksack der Hüftgürtel fehlte. Das war früher schon einmal passiert und bisher waren wir vorsichtig genug gewesen, ihn vor der Gepäckabgabe abzunehmen und sicher zu verstauen. Diesmal hatten wir es vergessen. Miriam fuhr sofort mit Antonio und dem Taxi zurück zum Busbahnhof. Der Bus war zwar schon abgefahren, aber die zuvor etwas ruppige Dame am Schalter erwies sich als hilfreich. Sie rief den Busfahrer an und riet Miriam später wieder vorbeizukommen, da der Bus entweder um drei, fünf oder sieben wieder aus Varadero zurück erwartet werde. Der Gürtel sei gefunden worden und sie könne ihn sich am Schalter abholen. Dies erzählte sie mir als sie von der Aufregung erschöpft in die Herberge zurückkam. Wir plauderten dann noch ein wenig mit Antonio und verabredeten uns für den nächsten Morgen. Dann duschten wir uns und ruhten uns aus. Später rief Miriam bei der Bushaltestelle an und wir gingen schließlich gegen sechs los, um den Sieben-Uhr Bus zu treffen. Wir schafften es auch. Der Bus fuhr ein. Der Fahrer händigte uns den Gürtel aus und wir machten uns glücklich und zufrieden auf den Rückweg. Wir hatten es nun nicht mehr so eilig. In einem Hauseingang bewunderte Miriam einen bunten hausgemachten Fußabstreifer und machte ein Foto davon. Die junge Frau des Hauses wurde neugierig. Miriam fragte, wo diese originelle Handarbeit herkam und die Hausfrau verwies uns auf eine Nachbarin gegenüber. Wir sollten nur an die Haustür klopfen. Anfangs gab es dort keine Reaktion aber die Dame gestikulierte, wir sollten stärker klopfen, die sei schon da. So klopften wir noch einmal. Diesmal öffnete eine ältere untersetzte dunkelhäutige Frau mit hochgesteckten Haaren das Tor. Miriam fragte sie, ob sie noch solche Fußabstreifer habe, wie wir sie gegenüber gesehen hatten. Sie meinte, sie habe keine auf Lager und wie viele wir denn wollten. Miriam sagte, nur einen. Sie meinte, bis Sonntag könne sie uns einen machen. Als Miriam ihr mitteilte, dass wir nur bis Samstag in der Stadt seien, meinte sie, sie könne auch bis Samstag einen Abstreifer für uns anfertigen. So kamen wir ins Geschäft und gingen vergnügt weiter. An der nächsten Cafeteria machten wir halt und bestellten einen Saft. Dann fing es ernsthaft an zu regnen.

Der Regen verwandelte sich in einen Wolkenbruch. Nach kurzer Zeit war die Straße überschwemmt. Fahrzeuge blieben stecken und wir beschlossen, auf unserer kleinen Insel das Ende dieses tropischen Wetterereignisses abzuwarten.

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Nach einer Weile kaufte ich eine kleine Flasche „Havana Club“, was die mit uns wartenden kubanischen Männer (zwei junge und ein älterer) amüsierte. Ich bot ihnen einen Schluck an, aber sie lehnten dankend ab. Miriam hielt mich für unmöglich. Aber der Sache fehlte es nicht an Humor. Wie vertreibt man sich sonst die Zeit auf der Arche Noah? Nach einer Weile hörte es auf zu regnen. Das Flutwasser floss immer noch, aber wir zogen einfach die Sandalen aus und gingen barfuß, wie andere Leute auch. So kamen wir wieder in unseren Stadtteil zurück. Inzwischen war es spät geworden. Wir hatten am frühen Nachmittag noch am Stadtplatz in der Nähe von Louisa Carmens Herberge im San Severin etwas gegessen. Dort wollten wir nicht schon wieder hin, aber alles andere schien uns reizlos und Il Fettucine, das einzige andere uns empfohlene Restaurant war geschlossen. So begnügten wir uns mit ein paar trockenen Brötchen, die wir in einer Bäckerei erstanden. Zum Tagebuch Schreiben in der Herberge gab es noch etwas von der mitgebrachten Schokolade und Rum.

Hier schalte ich vielleicht besser noch einen Nachtrag ein, bevor ich es vergesse. Am Mittwoch waren wir in Havanna von der Infanta aus mit einem Collectivo nach Cotorro gefahren um Rolando und Abel zu besuchen. Wir hatten die Adresse dieses Künstler- und Lebenspaares von Tanya Abraham, deren Mutter Millie eng mit dem fünfundsechzigjährigen „Rolli“ befreundet ist. Abel ist Mitte Vierzig. Cotorro ist eine Vorstadt von Havanna. Die Häuser sind dort viel niedriger und es gibt Bäume und Gärten. Das Taxi setzte uns gegenüber der Polizeistation ab. Um zu Rolando und Abel zu gelangen, mussten wir eine Eisenbahntrasse überqueren. Die Schwellen waren überwuchert. Wie uns einer der drei etwas anrüchigen Mitfahrer im Taxi mitgeteilt hatte, sei man verlassen, wenn man sich auf die Züge in Kuba verließ.

Rolando und Abel’s Haus ist eine kleine Oase. Die Inneneinrichtung geschmackvoll und zum Teil von Abel selbst gemacht oder wieder hergestellt, der Garten voll tropischer Blüten und üppigem Grün. Sie teilen das Haus mit einer über neunzigjährigen Tante, die bettlägerig und pflegebedürftig, geistig aber noch völlig fit ist. Unser Besuch dehnte sich über mehrere Stunden aus. Wir sprachen über alles und nichts, vor allem aber über das Leben in Kuba und über die Arbeiten der beiden Männer, die sich auf die Produktion von Papiermaché-Puppen und Dekorationen spezialisiert haben. Eine Nachbarin hilft bei der Herstellung der Kostüme. Die meisten Arbeiten entstehen im Auftrag von Hotels, tragen also zur staatlichen Tourismusindustrie bei. Daneben gibt es Aufträge aus Mexico und Handarbeitsausstellungen, bei denen die beiden in der Regel gut verkaufen. Nur in den Vereinigten Staaten gab es bislang Verlustgeschäfte, z. T. hauptsächlich aufgrund von Organisations- und Visaproblemen. Ein großer Teil ihres Inventars sitzt z. Zt. unverkauft in einem Lager in Florida bei Rolandos Schwester.

Als Abel sich in der Küche zu schaffen machte, führte uns Rolando in seine Werkstatt und zeigte uns auf dem Computer Fotos von fertigen Arbeiten der beiden. Rollis Spezialität sind berühmte Figuren wie Charlie Chaplin, Don Quixote und, für den mexikanischen Markt, Frieda Kahlo. Weshalb nicht auch Ikonen der kubanischen Revolution wie Fidel Castro oder Commandante Ché, fragte ich naiv? Das sei politische Kunst, davon halten sie sich fern. Andererseits sehen manche eine Ähnlichkeit zwischen Fidel und Rollis Don Quixote. Angefangen hat er mit diesen Figuren fürs Puppentheater. Abel ist ausgebildeter Tänzer. Im Nachhinein fiel mir eine gewisse Ähnlichkeit zwischen Rolli auf Bildern von früher, mit schwarzen Haaren, und seinem Chaplin auf.

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Miriam wollte wissen, was für Material wir für sie aus den USA besorgen könnten. Was ihnen vor allem fehlt ist der Lack, den man auf dem Markt z. Zt. nicht finde und der als brennbares Material nicht eingeführt werden dürfe. Sie beklagten sich aber nicht. Sie erklärten nur.

Wir aßen gemeinsam ein spätes Mittagessen. Reis mit Huhn, grüne Bohnen und Salat. Abel gab uns sein Geheimrezept für die typisch kubanischen schwarzen Bohnen (moros). Es war uns etwas peinlich hier zu essen, nachdem wir soviel über die schlechte Versorgungslage und den oft absurden Mangel an Grundnahrungsmitteln wie z. B. Kartoffeln gehört hatten. Wie zur Begrüßung gab es zum Abschied noch einmal einen Kaffee. An der Bushaltestelle in der Nähe der Polizeistation fanden wir ein collectivo zurück nach La Habana. Diesmal war es ein Jeep.

Besuch in Santos Suárez

Wieder in der Herberge Los Bertos, in die wir heute morgen wieder zurück gezogen waren. Die Familie des Wohnungsgebers, oder vielleicht bloß Wohnungsmanagers, lebt in Italien. Neben Miami und Florida lebt die größte kubanische Exilsgemeinde angeblich in Milan. Nachdem wir das Gepäck abgestellt hatten, waren wir wieder in die Altstadt gelaufen. Dort hatten wir für Mittag einen Tisch bei der vielgefragten Doña Eutimia vorbestellt. Vorher hatten wir bei dem von Mikael Ringquist in Boston empfohlenen Perkussionslehrer und Babalao Antonio Gonzales in Matanzas angerufen und anschließend im Reisebüro San Cristobal auf der Oficios-Straße Busfahrkarten nach Matanzas gekauft. Ohne die Verbindung mit Antonio hätten wir nicht gewusst, ob es sich für uns lohnt, dort hin zu fahren. Die Dame im Reisebüro meinte, um nach Sta. Clara (unser nächstes Reiseziel, nach Matanzas) zu gelangen, müssten wir über Varadero reisen, Ziel der meisten Ferien- und Kurzreisenden wegen seiner weißen Sandstrände, dem klaren Wasser und den intakten Korallenbänken. Auf den Mittagstisch wartend begegneten wir einem jungen deutschen Paar, das wir schon einmal getroffen hatten. Sie erzählten uns von ihren Erfahrungen in Viñales und Las Terrazas, einer Art Öko-Siedlung westlich von Havanna.

Doña Eutimia war die Reservierung wert. Das Bier kühl, der grüne Mojito angenehm beschwipsend, die Bedienung gut anzusehen. Das Publikum gemischt, d.h. nicht bloß amerikanische und europäische Touristen, die allerdings mehrheitlich die kleinen Tische besetzten. Miriam hatte Fisch, von dem es auf der Speisekarte geheißen hatte, er werde in einer roten Sauce und in Weißwein gekocht. Wir fragten die freundliche Bedienung (Typ: blond und petite), was das hieß. Sie meinte, es handle es sich um Tomatensauce mit einem Schuss Weißwein. Ich bestellte die eingelegten Stücke vom Schwein.

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Miriam meinte später, sie seien ausgetrocknet gewesen, was auch stimmte. Man gesteht sich im Moment des Essens und noch-nicht-bezahlt-Habens, leicht angesäuselt und angesichts der Preise nicht gerne ein, dass das Essen, das man gerade genießt, nur gut und nicht perfekt ist. Dazu gab es Reis und Bohnen. Der Reis war etwas zu körnig, die Bohnen etwa so wie wir sie zuhause zubereiten: mit Zwiebeln, grünem Paprika, Essig und braunem Zucker, nur besser, da nicht aus der Dose. Wie wir später von Abel in Cotorro hörten, sind die schwarzen Bohnen eine Sache des kubanischen Stolzes. Er gab uns sogar sein Geheimrezept preis! Vorspeise: Frittierte Taro Bällchen mit Honig. Nachtisch: Flan.

Gestern hatten wir in der Nähe eine bekannte Druckwerkstätte besucht und dort z. T. sehr nette Arbeiten gesehen. Im kleinen Ausstellungsraum, der nicht mehr als ein Hinterzimmer war, fanden wir eine Serie von humorvollen, spielerisch ausgedachten und gekonnt ausgeführten Radierungen, in denen ein Mensch auf dem Fahrrad auf provisorisch verbundenen Drähten herumfuhr. Mir gefiel das.

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Druckwerkstatt in der Nähe der Kathedrale von Alt-Havanna.

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Vordergründig bunt und heiter, sah ich in den Bildern eine Metapher für die prekäre Lage eines Kubaners in einer Zeit des Übergangs mit ungewissem Ziel. Die politische Zensur zwingt die Künstler zur Hintergründigkeit. Im Eingang der Werkstatt waren monochrome Drucke auf Papier und Gewebe zu sehen, von Gedichten begleitete Bäumrindendrucke und Wellenlandschaften, die vielleicht das Beieinander von Land und See darstellten. Jedenfalls groß und schlicht gestaltet. Eindrucksvoll und ein Vorgeschmack auf die zeitgenössische kubanische Kunst and Kultur, die uns auch anderswo noch begegnete.

Nach dem Essen suchten wir eine Herberge auf, die mir, ich weiß nicht mehr von wem, empfohlen worden war, eine mögliche Unterkunft für später, wenn wir nach Havanna zurück kommen. Auf der Straße hielten wir bei einem kleinem Kaffeeausschank. Dort sprach Miriam eine Dame auf ihre Sandalen an, die ihr aufgefallen waren. Diese meinte, sie habe sie bei einem privaten Handwerker (artesan) auf der Obrapia gekauft, das sei gleich um die Ecke. Wir liefen ohnehin in die Richtung, um noch einmal die Preisliste im Fahrradverleih einzusehen, fanden jedoch weder Schuster noch Schuhgeschäft. Die junge Fahrradmechanikerin (Typ: Frieda Kahlo in Overalls) meinte, es gäbe Handwerker, die ihre Produkte auf einer feria artesanales auf der Obispo anboten. Dort fanden wir auch nicht das Richtige. Wir gingen schließlich in unser Quartier zurück und ruhten eine Stunde. Dann liefen wir die Neptuno in westlicher Richtung bis zur Infanta wo wir ein collectivo nach Santos Suárez nahmen. Ein freundlicher Herr, der bis zur Wende in Berlin gelebt hatte, half uns mit Rat und Tat, sonst hätten wir nicht gewusst, wie viel man für so ein collectivo als Fremder bezahlen soll. Am Ende war es Miriam, die mit dem Fahrer einig wurde.

Santos Suárez ist ein Stadtteil südlich von Centro-Habana. Wir trafen dort den Cousin von Rick Calleha, der aus Santiago de Cuba stammt und bei dem unsere beiden Kinder an der Brookline High School Spanisch gelernt haben. Wir verbrachten etwa zwei Stunden bei seinen Verwandten.

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Selfie auf dem Parkplatz der Plaza de la Revolucion, mit Rick's Cousin und Cousine in Havanna, aufgenommen bei einem späteren Wiedersehen. Mitte: unsere Tochter Rachel, die die letzten beiden Wochen unseres Kubaaufenthalts mit uns teilte.

Ihre fünfzehnjährige Tochter kam kurz nach Hause und gab allen einen Begrüßungs- und später einen Abschiedskuss. An den Wänden hingen vergrößerte Fotos von ihr aus der Reihe von professionellen quinceañera Bildern, von denen es dann noch mehr im Hochglanzalbum und in einem Fake-Magazine zu bewundern gab; etwas risqué für unseren Geschmack, in der hiesigen Kultur aber völlig unschuldig. Hätte unsere Tochter in dem Alter sicher auch gut gefunden. Das Haus der Familie erkannten wir schon von der Straße. In das schmiedeeiserne Tor war ein Davidstern eingearbeitet. Der Hausherr ist ein fröhlicher und selbstbewußter Jude, seine Frau Konvertitin. Die beiden Töchter sind jüdisch. Der Vater und die jüngere Tochter haben die israelische Staatsbürgerschaft. Er hatte seinerzeit in einer Sonderschule in Ra’anana freiwillig gearbeitet und hat Verwandte in Aschkelon und Beerscheba. Als Kapitän des hiesigen jüdischen Softball-Teams bereitete er sich gerade auf die diesjährige Makkabia vor. Der Trip der Equipe nach Israel wird von amerikanischen Juden finanziert. Amerika ist das Land der Hoffnung, auch für die wenigen Juden Kubas.

Das Gespräch (dazu gab’s Muttertags-Schokoladentorte und, für die Männer, einen tüchtigen Whiskey) drehte sich um die unsicheren Wirtschaftsverhältnisse und den Irrsinn, dass es in einem so fruchtbaren Land an Nahrungsmitteln fehlt. Sie zeigten uns ihr Rationsbuch. Zum von der Regierung festgelegten Preis ist jede Person zu fünf oder sechs Pfund Reis, drei Pfund Bohnen, fünf Eiern, etwas Öl und Salz berechtigt. Nur Zucker und Kaffee gebe es genug. Insgesamt zu wenig zum Leben und zu viel zum Sterben. Wasser und Elektrizität seien angeblich kostenlos. Andere, die wir später fragten, waren anderer Meinung. Trotz akuter Trockenheit spart man jedoch nirgends an Wasser oder Strom. Medizinische Versorgung und Erziehungswesen sind staatlich geregelt und kostenlos. Die Ärzte und Lehrer verdienen jedoch sehr wenig, zwischen einem und drei Dollar (CUC) pro Tag. Viele verlegen sich auf die lukrative Tourismusbranche. Die neue Mittelschicht besteht daher nicht aus Beamten oder Hochgebildeten sondern aus Autobesitzern und Taxifahrern. Die casas particulares sprießen wie Pilze aus dem Boden. Wohnraum gibt’s genug und im Zweifelsfall vermietet man das eigene Schlafzimmer und zieht zu Verwandten. Je nach Weltlage dreht jedoch die Regierung der mittlerweile achtzigjährigen ehemaligen Revolutionäre die unternehmerische Freiheitsschraube auf oder zu. Man weiß nie, was kommt. Infolge der Implosion der Sowjetunion fehlte es an der gewohnten und lebensnotwendigen Unterstützung aus dem Ausland. So kam es Mitte der neunziger Jahren zu einem Prozess der Öffnung gegenüber dem kapitalistischen Westen. Auch die Religion trat aus den Katakomben wieder ans Licht. Afrokubanische Kulte erstarkten besonders. Die fehlenden Phosphate für den Kunstdünger führten zu einer forcierten Wende zum ökologischen Landbau. Zufallsprodukt der wirtschaftlichen Misere sind die letzten gesunden Korallenbänke der Karibik.

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Eindrücke vom Abendspaziergang von Santos Suarez zurück nach Alt-Havanna.

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IMG_4297IMG_4298 IMG_4299 IMG_4300 IMG_4301 IMG_4303 IMG_4304Wir gingen zu Fuß nach Alt-Havanna zurück, wo wir zunächst einem der ortsüblichen Trickbetrügereien zum Opfer fielen. Wir wurden schon vor Antritt unserer Reise davor gewarnt, waren aber neugierig zu sehen, wie so etwas ablief. Wir ließen uns in ein Lokal führen, wo wir für uns und das junge kubanische Paar zur Erinnerung an Compay Segundo einen angeblich kostenlosen Drink bestellten. Was man uns servierte war ein wässeriger Orangensaft. Die anfänglich gesprächigen und charmanten Kubaner verloren so langsam das Interesse. Unser Gespräch drehte sich im Kreis. Die Konzentration ließ nach. Als uns die völlig überteuerte Rechnung präsentiert wurde, taten unsere Freunde, die angeblich außerdem ihr Jubiläum feierten, überrascht und leugneten ab, sie hätten irgendetwas damit zu tun. („We don’t work here.“) Ich legte statt des verlangten Betrages von 24 CUC (ungefähr 17 Euro) zwei konvertible Peso Münzen auf den Tisch. Miriam verabschiedete sich auf Spanisch mit „Ihr solltet euch was schämen.“ Der Barmann rief uns zwar noch protestierend hinterher aber niemand hielt uns auf, und so setzten wir unseren Spaziergang eilig fort. Ziel des Abends war El Chanchullero, eine bekannte Kneipe, in der das Essen gut und billig und die Drinks nicht verdünnt seien. Nach langem Anstehen und Unterhaltung mit den anderen Touristen, die mit uns in der Schlange standen, teilten wir einen Tisch mit drei jungen Männern aus Australien, die zeitweise miteinander reisten. Einer lebte in Equador und arbeitete als kriminologischer Ausbilder in Quito, die beiden anderen waren Buchhalter in einer großen australischen Firma für finanzielle Dienste und unternahmen gemeinsam eine Weltreise.IMG_4309 IMG_4310 IMG_4311 IMG_4312 IMG_4313 IMG_4314

Dritter Tag, Morgens. Noch bei Sra. Maria (Ein Nachtrag)

Internetprobleme am Abend. Heute morgen die Diskussion mit der Gastgeberin, was wir hätten machen sollen, damit die tarjetica nicht nutzlos ablief. Inzwischen ist klar, dass wir für die ganze Wohnung den Zugang kaufen. Wenn es für uns nicht funktioniert, muss es zentral ausgeschaltet werden, sonst läuft es zwar für uns nutzlos ab, wer am PC sitzt surft aber ohne Probleme weiter. Wieder was gelernt. Miriam nun im Netz mit unserem Kompi und ich schreibe auf Papier.

Aufgeweckt mit der dringenden Bitte, in Matanzas anzurufen und zu klären, ob wir überhaupt dort hin wollen. Improvisieren ist schwierig. Wir sind offenbar zu anspruchsvoll (zu alt? zu verwöhnt? verunsichert?) um einfach so in den Tag zu leben und uns an dem zu freuen, was so gerade läuft. Wir erleben gute Zufälle (rumsitzen und warten wird zum anthropologisch interessanten und menschlich wertvollen Moment). Aber wir können uns nicht einfach dem Zufall überlassen. Planen ätzt. Wir machen das seit einem Jahr und mittlerweile täglich. Es wird aber auch mit der Zeit einfacher, problemloser, konfliktärmer. Wir haben uns daran und aneinander gewöhnt. Nach dreißig Jahren lernen wir uns noch einmal besser kennen. Miteinander reisen können ist Glück.

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Blick vom Dach der Herberge "Dos Bertos" auf der Avenida Neptuno.

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Gestern Abend Gespräch mit Dayan, Freund der rührigen Tanya Abraham, die wir über Lanfranco Aceti, einem Kunstmanager in Boston, kennengelernt haben und die uns äußerst hilfreiche Kontakte vermittelt hat. Auf Dayan in Alt-Havanna wartend hatten wir Zeit, an der Straße zu sitzen und Leute zu beobachten.

Etwa die alte Dame, die uns anbettelte. Sie ist offenbar gut in der Nachbarschaft (Teniente Rey/Brasil, zwischen Aguiar und Habana) bekannt. Sie winkte oder rief manchen Passanten zu, die auch freundlich antworteten. Sie setzte sich zu uns auf die Steinbank und gab Miriam den typisch kubanischen Wangenkuss (nur eine Wange, normalweise die rechte) bevor sie uns eröffnete, dass ihr nichts geblieben sei, die Einleitung zum persönlichen Fundraising. Um sich der etwas zu vertraulichen Dame zu entziehen ging Miriam spontan auf die Dame zu, die mit ihrem Hund gerade aus der casa gegenüber gekommen war, sprach sie an und ließ sich die Wohnung zeigen. Mittlerweile widmete sich die alte Dame zu meiner linken meiner Wenigkeit. Sie hatte mir schon einen Peso und einen zahnlosen Schluck aus der Wasserflasche abgerungen, da rief mich Miriam von oben. Ich solle heraufkommen und mir die Wohnung ansehen. Sie wird von zwei älteren unverheirateten Schwestern geführt, die in dem Haus aufgewachsen sind. Lebensklug, humorvoll, gelassen, die eine etwas mehr tough geschäftstüchtig als die andere. Sie haben auch ein häßliches und schmusebedürftiges Hundefräulein. Vor unserer Abreise einigten wir uns noch mit den beiden Damen. Wir werden dort mit Rachel wohnen, wenn sie uns Mitte Juni in Havanna besucht. Sicher ist sicher.

Noch ein Erlebnis war der Junge, ungefähr zehn oder elf, der auf der Straße vor Dayans Wohnung mit Stöcken spielte und sich ein Katapult gebaut hatte, mit dem er ein Gummistück hoch in die Luft schleudern konnte. Wir versuchten zu raten, zu welchem Haus er gehörte, was nicht klar war, denn er rief hier und dort hinein oder hinauf, ging hier und dort hinein und kam wieder heraus und spielte weiter. Irgendwann wurde er auf uns aufmerksam. Er amüsierte sich über die seltsamen Leute, die vor einer offenen Tür auf dem Randstein saßen und nicht hineingingen.

Dayan, schlank und künstlerisch drei-Tage-bärtig , gepflegt mit intellektueller Brille, ist Restaurateur. Gato Prieto, das wir am Abend zuvor geschlossen fanden, ist sein Lokal, das er mit seinem Lebenspartner, einem Spanier, gegründet hatte. Leider lief das Geschäft nicht so gut. Vielleicht war es die Lage, aber vermutlich hatte es noch andere Gründe. Während Gato Prieto zum Umbau geschlossen ist bauen sie gleichzeitig das Haus seiner Mutter in Centro Habana um, um dort ein zweites Lokal zu eröffnen. Z.Zt. ist der Freund allerdings in Spanien und Dayan wohnt bei seiner Mutter. In Alt-Havanna haben sie noch eine Wohnung, die ebenfalls gerade renoviert wird. Jetzt oder nie, meinte er, obwohl er nicht vom Erfolg seiner Unternehmen überzeugt war. Die Lage sei zwar nicht völlig aussichtslos, aber der große Aufschwung, den die privatwirtschaftlichen und unternehmerischen Erleichterungen der letzten Jahre versprachen, sei bislang ausgeblieben. Uns blieb der Eindruck von Verunsicherung.

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Gato Prieto in Vedado. Zum Umbau geschlossen.

15. Mai (Fortsetzung)

Heute morgen (Montag) dann Frühstück, nicht in der casa particular, wo Maria uns freundlicherweise einen Kaffee (gratis) servierte, sondern auf der La Zanja. Erst gingen wir zu der kleinen Stube, die uns gestern so gefallen hatte. Dort hatten sie zwar Eier für ein Omelette, aber weder Brot noch Gemüse. So schickte uns die Chefin über die Straße zu einer ähnlichen kleinen Cafeteria, wo uns sehr freundlich geholfen wurde. Wir bekamen Spiegelei, Omelette, einen Teller mit Streifen von grünem Salat und Weißkohl (col), den wir mit Essig und Salz nachwürzten. Dazu gab es ein weiches Brötchen. Insgesamt nicht schlecht, frisch und so ziemlich was wir erwartet hatten. Der klitzekleine Kaffee war ausgezeichnet, Bedienung wirklich lieb, und der Preis ungefähr die Hälfte von dem was wir in der Touristenabsteige gegenüber am Tag zuvor bezahlt hatten. Die Preise waren hier in Nationalpesos angegeben. Die Bedienung rechnete unsere Zeche in Touristenpesos um und ging zur Nachbarin um unser Wechselgeld zu holen. Wir fragten sie noch nach der nächsten Bank, und sie schickte uns dann mit einem „Felicitaciones“ auf den Weg. Das überraschte uns. Wir verstanden nicht, wozu sie uns gratulierte. Vielleicht war es der Muttertag. Ich spekulierte, dass sie mithilfe der Santeria in unsere Herzen geschaut und dort entdeckt hatte, dass wir eine beträchtliche Hürde genommen hatten. Wir waren nicht mehr so durcheinander wie am Morgen, als wir unausgeschlafen und ernüchtert mit dem Gefühl aufgewacht waren, nicht mehr zu wissen, was wir hier eigentlich wollten. Anders als in Indien hatten wir hier niemanden, der uns an die Hand nahm und sich um alles kümmerte. Wir fühlten uns von der Verantwortung für unsere eigene Zufriedenheit überwältigt. Dann waren wir in dieser kleinen Enklave menschlich reicher Beziehungen gelandet, in der man miteinander großzügig und freundlich umging und einander aushalf. Wir bezahlten einheimische Preise und fühlten uns nicht mehr bloß als wandernde Dollarscheine. Havanna hatte uns die Tür einen Spalt geöffnet und uns ein anderes Gesicht gezeigt. Vielleicht deshalb die „felicitaciones“: Glückwunsch! Ihr seid angekommen.

El Centro de Habana, zwischen Altstadt und Vedado, hat – auf den zweiten Blick –eine unglaublich vielfältige Architektur. Die Gebäude sind zum großen Teil bewohnt, zum Teil neu renoviert, zum Teil billig und geschmacklos aufrechterhalten und umgebaut. Dazwischen gibt es unbewohnte Ruinen. So ein wenig wie Berlin vor der Wiedervereinigung.

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Die Türen und Fenster sind vielfach offen und man sieht das häusliche Treiben in den Eingängen und Höfen. Menschen lehnen sich aus ihren Fenstern und über ihre Balkone und schauen auf die z. T. engen Straßen herab, in denen Menschen jeden Alters, Geschlechts und Hautfarbe herumlaufen, stehen oder sitzen, allein oder in Gruppen. Trotzdem kommt es einem irgendwie leer vor. Die Straßen, Gehwege und Rinnen sind gekehrt. Müll sammelt sich oft an den Straßenecken an, bevor er auf einen Laster geschaufelt und abgekarrt wird. Es sieht dennoch alles reingefegt aus, ohne deshalb sauber zu sein. Mehr wie eine Abwesenheit, dessen was man angesichts der allgemeinen Armut erwarten würde. Es liegt aber wenig herum. Keine Plastiktüten oder Bananenschalen. Irgendwie leer. Es gibt kaum Straßenhunde und natürlich laufen hier die Kühe nicht wie in Indien frei herum. Wir hören ab und zu einen Hahn krähen. Überall gibt es Alkohol zu kaufen und man trinkt hier auf der offenen Straße. Heute Morgen sahen wir in einem Eingang einen Betrunkenen, der auf einer Treppe ausgebreitet seinen Rausch ausschlief. Es ist ein bisschen wie in der anti-kommunistischen Fabel von der Animal Farm. In den runtergekommenen Häusern der vertriebenen unternehmerischen Mittelschicht wohnen Leute, die die Häuser nicht gebaut haben und von denen die meisten kein Geld haben, um diese bürgerlichen Häuser stilgemäß instand zu halten oder sie standesgemäß zu möblieren. Eine Gesellschaft von unterprivilegierten Hausbesetzern. Alles scheint irgendwie im Wartezustand. Mittlerweile geht das Leben weiter. Die Leute kommen mehr schlecht als recht zurecht. Es fehlt an allem. Wohl denen, die von ihren Verwandten im Ausland unterstützt werden.

Plaza Vieja. Mitte rechts: David Guerra aus Boston und Miriam.

Am Nachmittag trafen wir uns mit David Guerra, Exilkubaner, Rechtsanwalt und nebenberuflicher Kurator in Boston. Unser Treffpunkt war ein Brauereiausschank auf der Plaza Vieja, im elegant renovierten östlichen und ältesten Teil der Altstadt. David hatte seinerzeit zwischen Harvard und Kuba wählen müssen und durfte wegen seiner Entscheidung für Harvard sieben Jahre nicht in sein Heimatland zurückkehren. Als Einzelkind fühlte er sich seiner Mutter gegenüber jahrelang besonders schuldig. Vielleicht bemüht er sich deshalb so rührig um den amerikanisch-kubanischen Kulturaustausch. David beantwortete geduldig unsere z. T. sehr allgemeinen Fragen über die kubanischen Verhältnisse und gab uns etliche konkrete Empfehlungen. Er sprach von den Bemühungen der kubanischen Regierung um den Erhalt und den Wiederaufbau des ältesten Stadtteils von Havanna. Er betonte dabei, dass die Regierung sich darum bemühe, die Bewohner dieses Stadtteils nicht zu vertreiben. Dieselben Leute ziehen nach der Renovierung wieder in dieselben Wohnungen ein und ihre Kinder besuchen weiterhin dieselben Schulen. So soll Alt-Havanna eine lebende Stadt bleiben. Wie wir später bemerkten, bezieht sich diese lobenswerte und kostspielige Initiative nur auf den touristisch erschlossenen Teil Alt-Havannas, nicht auf den ärmeren Stadtbezirk, der sich südwestlich an die Altstadt anschließt. Die Regierung nimmt die Mittel für ihre aufwendigen Renovations- und Neubauprojekte aus der z. T. direkt betriebenen, z.T. indirekt besteuerten Tourismusindustrie. Der Tourismus ist die Hauptquelle für das devisenarme Land. Ohne Hilfe aus dem Ausland können weder die Kubaner noch der kubanische Staat wirtschaftlich überleben. Seit dem Fall der Sowjetunion fehlt es an zuverlässiger ausländischer Beihilfe für den Staat. Das Chaos in Venezuela, von dessen Erdöllieferungen Kuba abhängig ist, hat ebenfalls unmittelbare Folgen. Die Planwirtschaft funktioniert hier ebenso schlecht wie in anderen sozialistischen Ländern. Das z. T. immer noch anhaltende US Embargo, die ungeklärte politische Zukunft, aber vor allem der Mangel an Devisen hindert Investoren aus dem Ausland, sich ernsthaft in Kuba zu engagieren. In der Zwischenzeit florieren die grauen Märkte. Durch den Tourismus und die damit verbundene zweite Währung, der CUC oder konvertible Peso (divisas), entsteht eine neue Mittelschicht. Ein Taxiunternehmer verdient hier das Vielfache eines Universitätslehrers oder eines Neurologen.

15. Mai, Nachtrag

Im Telekommunikationsmuseum auf der La Zanja (nähe Chinator; Chinesen stellten einen statistisch zu Buche schlagenden Anteil an der vor-revolutionären Bevölkerung Kubas dar) gab es eine Etecsa Verkaufsstelle, wo wir eine Telefonkarte für unser indisches Telefon erwerben konnten. Die Karte ist gut für fast ein Jahr, viel länger als wir sie brauchen. Ein gutaussehender dunkelhäutiger Mann mittleren Alters mit Fahrradtaxi (bici) – muskulös, kenntnisreich, und rednerisch begabt – bot an, uns die Stadt zu zeigen. Wir unterhielten uns eine Weile, lehnten schließlich dankend ab, schrieben aber für alle Fälle seinen Namen und seine Adresse auf. Vielleicht nehmen wir ihn später noch in Anspruch. (Dazu kam es nicht.)

Gestern sind wir noch viel und lange gelaufen: Habana Vieja, Malecon, Vedado. Am Ende nahmen wir ein Taxi nach Hause, einen himmelblauen Bel Air, ca. 1956, mit Dieselmotor und wer weiß was für einem Fahrgestell. Die Federung dieser alten Straßenkreuzer besteht oft nur aus purer Einbildung und Fensterheber dienen oft nur zur Zier. Die Türen lässt man am besten von den Fahrern öffnen und schließen.

Unterwegs nach Alt-Havanna setzten wir uns in einem Park in der Nähe des Vorzeigehotels Inglaterra und dem Palacio für einen Moment in den Schatten. Dort sprach uns ein älteres Ehepaar freundlich an, die sich als Zeugen Jehovas vorstellten. Der Herr verwickelte Miriam in ein Gespräch über Kanada, das er wohl früher gelegentlich besucht hatte. Dann bat er uns um einen Kugelschreiber (boli, kurz für boligrafo) für seine Frau, weil doch gerade Muttertag sei. Die Dame saß daneben und lächelte charmant. Ich holte einen Stift aus dem Rucksack, aber er wollte gerne noch einen zweiten, für sich selbst. Wir hatten schon vorher davon gehört, dass es Sinn mache, Kugelschreiber und mechanische Bleistifte mitzubringen. Kleine aber hier schlecht zu bekommene Gegenstände lassen sich gut tauschen und verkaufen. Ein so trivialer Gegenstand des täglichen Lebens wie ein Gasfeuerzeug aus Plastik wird hier nicht etwa weg geworfen, wenn es leer ist, sondern nachgefüllt und gegebenenfalls repariert, auch wenn das vom Hersteller so nicht vorgesehen ist.

In Alt-Havanna hatte man uns die Mojitos in der Bodegita del Medio empfohlen. Die Aussicht auf das Getränk trieb uns voran. Vor der Bodegita fanden wir eine große Ansammlung von Touristen. Die Bar ist berühmt wegen Hemingway, der überall in Kuba bekannt ist und wegen seiner Sympathie für Kuba und die Revolution zum Inventar der ubiquitären Propaganda gehört. Die Zeit scheint hier wie stehengeblieben.

Wir schauten uns im Barraum um, zu dem uns ein riesenhafter Rausschmeißer den Weg gewiesen hatte. Eine Musikgruppe machte gerade Pause, während der Barmann eine Reihe von Mojitos zubereitete und etliche eisgekühlte Bierflaschen aus einem altmodisch holzgetäfelten Kühlschrank holte. Das machte uns Lust auf Bier, wozu wir Hemingway nicht brauchten. Wir machten uns auf die Suche nach einer weniger überlaufenen und besser belüfteten Gaststätte, die wir nach einigem Herumgelaufe im Café Paris fanden. Dorthin zogen uns die Klänge einer ersten von unzähligen Buena Vista cover bands. Miriam bestellte den obligatorischen Mojito und ich eine Cerveza El Presidente; importiert, denn das einheimische Crystal war ihnen ausgegangen. Wir tranken beide von beidem und freuten uns auf die Musik. Die Musiker machten  zunächst eine Pause. Nach einer Weile ging es noch einmal los. Gute Stimmung. Die Kellner in ihren Guayaveras sangen mit. Ein begeisterter Kubaner, dunkelhäutig, arm und betrunken, sang von der Tür aus begeistert mit. Dem setzte ein hühnenhafter Rausschmeißer ein Ende. Wir hörten noch ein wenig zu und brachen dann auf, zurück zum Quartier. Der angekündigte Regen brach erst los als wir dort ankamen. Zeit zum Ausruhen.

Wir zogen nach fünf wieder los, genossen den Sonnenuntergang am Malecon, wo wir lange einem Paar von Pelikanen zusahen, die sich abwechselnd auf ihre wässrige Beute stürzten und dann wieder eine Weile ihre Federn in der Sonne trockneten. IMG_4211 Wir suchten nach einem Restaurant in Vedado, das uns jemand empfohlen hatte. Gato Prieto war jedoch geschlossen. Das machte nichts, denn wir hatten noch eine andere Empfehlung, am anderen Ende von Vedado und wir hatten unser Telefon. Zur Orientierung benutzten wir „Maps.me“, eine großartige Erfindung, die uns auch ohne Internet auf dem Stadtplan ortet und das uns schon in Indien das Zurechtfinden erleichtert hatte. Mit dem Telefonieren klappte es nicht gleich, aber ein paar freundliche junge Leute halfen uns aus. Das half auch unserer Laune, denn mittlerweile war es halb acht und wir hatten lange nichts gegessen und der Weg zum El Cocinero war beträchtlich. Wir gingen die Calle 13 bis ans andere Ende, eine Distanz von ungefähr fünfundzwanzig quadras oder Querstraßen, die uns durch ein elegantes Villenviertel führte, in der sich auch die mit Stacheldraht gesicherte Residenz des deutschen Botschafters befand. El Cocinero ist in einem umgebauten Fabrikgebäude untergebracht. Wir warteten geduldig, bis wir an die Reihe kamen, um hineingelassen und bewirtet zu werden. Nachdem der erste Durst gestillt war, sahen wir uns genauer um. Das Restaurant ist elegant, blitzsauber und modern gestaltet, das Essen nicht besonders teuer und z. T. sehr gut. Zum Beispiel fiel bei den Rippchen das saftige Fleisch nur so von den Knochen. Aber die ganze Sache hätte auch in Los Angeles oder Miami sein können. Es fehlte das kubanische Flair. Im Stil generisch, international. Gesättigt, müde und trotzdem zufrieden fuhren wir aus dem eleganten Vedado gegen Mitternacht in jenem Bel Air zurück ins heruntergekommene Zentral-Havanna. Die Nacht war laut und schwül. Gegenüber von unserem Balkon auf der Calle Lealtad hatte jemand den Fernseher auf Nachbarschaftsnervlautstärke gedreht und schaute sich mehrfach einen alten amerikanischen film noir an, in dem die spätromantisch angehauchte Filmmusik ominös Todessehnsucht suggerierte und das erotische Atmen der Hauptdarstellerin sich wiederholt in einer Kadenz von Angstschreien entlud. Das letzte Mal, dass mich diese Sequenz aufweckte war gegen 2:45. Miriam schlief überhaupt nicht. Manchmal stand sie am Balkon und zeichnete, manchmal lag sie im Gästebett und las, manchmal war sie überhaupt nicht im Zimmer. Es war das Zahnweh, das ihr den Schlaf raubte; eine lange Geschichte, die trotz Behandlungen in Kerala und Boston offenbar noch nicht zu Ende ist.) So endete der erste und begann der zweite Tag.

Kubatagebuch. Abend des ersten Tages

IMG_4197Die Sonne scheint wieder, nachdem es am Nachmittag geregnet hatte. Am Vormittag waren wir für die nächsten beiden Nächte in eine andere casa particular umgezogen. IMG_4196Die Hausherrin (Maria Carmen) kam nicht die Treppe hinauf sondern wartete auf uns unten auf der Avenida Neptuno, da sie, wie sie uns erklärte, die vergangene Nacht zu viel getrunken hatte und ihr das schlecht bekommen sei. In Indien hätte eine alleinstehende Frau nicht getrunken. Wenigstens hätte sie davon nicht als erstes ihren ausländischen Gästen erzählt. Maria führte uns zu ihrer Wohnung auf der Calle Lealtad, in der sie zwei Zimmer vermietet, momentan wohl nur eines davon. Das andere bewohnt ihre Nichte Laura, deren Mutter inzwischen nach Miami übergesiedelt ist. Dort lebt auch ihr Bruder, der nach und nach seine Familie zu sich holt. (Ihn lernten wir später auch kurz kennen, da er gerade zu Besuch war.) Fast jeder Kubaner hat Familie im Ausland, deren Unterstützung die Leute am Leben erhält, ihnen Vorteile in der sozialistischen Unterversorgungsplanwirtschaft verschafft. Seit einigen Jahren sind Investitionen aus dem Ausland legal. Man kann Häuser legal kaufen und verkaufen. Große und kleine Privatgeschäfte florieren. Was bislang noch ausbleibt sind die großen Investitionen aus dem Ausland, denn dem Land fehlt es an den nötigen Devisen um sich an größeren Projekten zu beteiligen und so das Risiko mit zu tragen. Mit der staatlich kontrollierten Tourismusbranche allein ist das nicht zu auszugleichen.IMG_4199

Unser Zimmer hat seinen eigenen Balkon und ist geräumig. Wir haben unser eigenes Badezimmer. Allerdings sind hier Seife und Shampoo nicht im Preis inbegriffen und Maria verlangte zunächst auch mehr Geld als die andere Herberge, die wir über AirBnB gebucht hatten. Sie ließ sich dann herunter handeln. Sie war im Großen und Ganzen hilfreich, erklärte uns auf einer von ihr ausgedruckten Karte (sie hat einen Rechner und Internet im Haus) wo wir etwas zu essen und eine Simkarte für unser (indisches) Telefon finden konnten und empfahl den besten Weg in die Altstadt. Wir durften ihr Telefon benutzen und sie besorgte uns nachher zwei Karten fürs Internet, die dann allerdings nicht genau so funktionierten, wie wir uns das vorgestellt hatten. Wie wir später hörten, ist in Kuba ein privates Telefonmodem die große Ausnahme.

Wir machten uns dann, Sra. Maria’s Empfehlung folgend, auf den Weg nach La Zanja und aßen dort ein schwaches und überteuertes Touristenfrühstück in „Me Gusta“: grüner Salat mit Tomaten auf einem süßlichen Pfannkuchen („Crepe“), mit Käse überbacken. Die Wurststückchen aus der Dose ließ sich Miriam auf der Seite reichen. So konnte ich sie essen. Das Würstchen gegen Speck eintauschen oder einfach weglassen ging nicht. Ich hatte ein Rührei. Der Kaffee war gut. Unterwegs sahen wir eine kleine Cafeteria mit einer reizenden Köchin. (Die Frauen, die Männer, die Körper, die Kleidung und die Geschlechterbeziehungen sind ein Thema für sich.) Dort waren die Preise in den einheimischen Pesos (moneda nacional oder CUP) angegeben. Es erschien uns überhaupt sehr einladend. Leider waren wir schon satt.

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Blick von unserem Zimmer auf der Lealtad ins Wohnzimmer gegenüber, wo nachts der Fernseher lief.

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Cafeteria auf der La Zanja.

Kuba Tagebuch. Erster Tag (Nacht), frühmorgens am 14. 5. 2017 (Sonntag)

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Derselbe Mond lächelt über den flachen Dächern von La Habana, der uns auf unserer Indienreise begleitet hatte. Oben links etwas abgeflacht (abnehmender Mond), lächelt er uns von oben – Urbild der heiteren Götter – zu, man möchte sagen, er zwinkert und macht sich ein wenig über uns lustig, die wir versuchen, ein wenig mehr von der Welt zu sehen, auf die er seit undenklichen Zeiten gleichmütig herabsieht. Wir hingegen, denen nur wenig Zeit zugemessen ist und die wir uns daher bemühen, dem flüchtigen Moment Dauer zu verleihen, schreiben und fotografieren. Manchmal schreiben wir Postkarten oder setzen uns im Angesicht unserer „Gesichtsbuchfreunde“ ins Rampenlicht bildender Reisen. Wir sehen die Welt. Für euch zuhause gibt’s die Bilder. Die Gleichzeitigkeit der Bilder aus Indien waren ein Freundesdienst. Das brachten die Zeiten so mit sich. Da Kuba immer noch nicht übermäßig vernetzt ist und von Gleichzeitigkeit nicht die Rede sein kann, schreibe ich meine Eindrücke in den Schoßrechner. Ein richtiges Buch aus Papier habe ich auch. Das kam schon in Indien gelegentlich zum Einsatz, z. B. nachdem ich meinen Compi bei der Flughafensicherung in Mumbai liegen gelassen hatte.

Drei Monate Indien, davon einen guten Teil in Kerala, ein wenig Rajasthan, dann – von Delhi aus – nach Ladakh. Drei Wochen in der Nähe von Leh, dann ein paar Tage Mussorie und von Delhi aus nach Hause. Die kluge Entscheidung lag darin, dass man nicht alles gesehen haben muss. Wenn es einem wo gut geht, kann man auch dort eine Weile bleiben oder sogar dorthin zurückkehren, obwohl es das nächste Mal vielleicht ein wenig anders ist. Wie wird es uns in Kuba ergehen? Noch lächelt der Mond.

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Ich sitze auf einem hell erleuchteten Balkon mit Blick nach Süden zur gelegentlich laut werdenden Straße hin, Via Nettuno im leicht post-apokalyptischen Zentrum von Havanna. Hier ist viel zerfallen und wenig renoviert, die einfallsreiche Bausubstanz des einstigen aufstrebenden Bürgertums nach der großen Umverteilung inkongruent genutzt. Gegenüber ist auch noch Licht, auch dort eine casa particular. Unten, auf Straßenhöhe, sind noch ein paar Höfe offen. Leute sitzen um einen Tisch oder bedienen die 24-Stunden geöffnete Brotbäckerei. Jugendliche gehen um diese Stunde offensichtlich noch aus. Die werden von jenen vielgerühmten alten Karossen abgeholt und irgendwohin gefahren, wo noch etwas los ist. Manche können sich das leisten. Frisch verputzte Wohnungen stechen hervor. Hier wohnen Touristen und jene Kubaner die, unterstützt von Familienmitgliedern im Ausland, eine neue Mittelschicht bilden. Spürbar die Verwunderung der weiterhin Mittellosen. Das Ende des Elends ist für viele nicht abzusehen. Die Leute auf der Straße sind nicht unbedingt auf unsere Anwesenheit erpicht. Man fühlt sich zunächst bloß wie ein Störfaktor oder bestenfalls wie ein wandernder Dollarschein. IMG_4192 IMG_4190

Wir haben Adressen mitgebracht. Später am selben Tag fangen wir damit an, die Stadt zu erlaufen, Verabredungen zu treffen und Pläne zu machen. Wir haben fast sieben Wochen hier in Kuba. Mein Spanisch ist schwach, Miriams gut. Ihr Hauptziel auf dieser Reise: sich sprachlich zu verbessern. Die Leute sprechen wenig Englisch. Mit der Zeit treffen wir auf Ausnahmen von dieser Regel. Kuba öffnet sich.

Candy from Kazakhstan and other Ladakhi Surprises

As our three-month trip is coming to its end, I am still not sure we really “did India.” Aside from rural Rajasthan, which we fled for some Rajput fortress and desert tourism to recover from a brief and complex taste of Rajasthani village life, we spent a lot of time in the Dravidian south and the Buddhist north, home to a large Tibetan refugee community and more central Asian in character than Indian. We basically skipped the vedantic middle, and what we saw of Delhi looked more like a mixture of Paris, Tel Aviv, and Cairo than our stereotypical idea of "India." Rereading two of Salman Rushdie's novels, one set in Kashmir (Shalimar the Clown), the other in Cochin (The Moor's Last Sigh), helped me to realize that we are not the only ones having trouble reconciling these liminal (=marginal?) places with our received idea of India.

A remote and neglected part of the conflict-ridden state of Jammu-Kashmir, Ladakh is an oasis of peaceful mountain villages, rivers, and Buddhist monasteries that are closer to China and Pakistan than to Delhi.

Ladakh, a land of mountains and monasteries

Ladakh, a land of mountains and monasteries

The reason we went to Leh was to volunteer with SECMOL, an educational and cultural NGO founded by the engineer and sustainability visionary Sonam Wangchuk and co-directed by his former wife Becky Norman whose official title is volunteer coordinator. We learned of SECMOL through Becky’s sister Abigail who runs the Eliot School in Jamaica Plain. (Personal connections and recommendations, along with a lot of serendipity, went a long way in planning our trip.) Becky has lived in Ladakh for over thirty years, as evidenced in her flawless command of the local language on which she’s written a primer. SECMOL has a campus in Phey village and an administrative office in nearby Leh, a small but lively town that caters to the hundreds of tourists and trekkers visiting these parts of the Himalayas every year, though the tourism economy is somewhat depressed by the perennial crisis in Kashmir, which is really quite far away. Ladakhis are proud of their distinctive heritage and aim to preserve it while embracing sustainable development. From what we heard, the political ambition is to establish Ladakh as a "union territory" independent from the state of JK, which would help Ladakhis maintain their own brand and take more immediate control of government resources. This would make sense not only because of the depressed tourism industry but also because the region is woefully underserved by JK government institutions. Schools in remote areas are often closed because teachers don't show up, the local college in Leh hasn’t seen government administered examinations in a year, and the internet connection cut by an avalanche took more than a month to be restored. As a result, businesses cannot process credit card charges, phone lines are unreliable, tourism entrepreneurs cannot make plans, and so forth.

We stayed a very short three weeks at SECMOL sharing quarters with about 35 high school-age "Foundation" and two groups of older students who either attended college in Leh or were enrolled in the sustainable architecture program on campus. The Foundation students are selected for a one-year remedial course of studies. All basic campus functions, including cooking, cleaning, milking and caring for the cows, shopkeeping, internal discipline and organization are done by the students themselves. Our job was mostly to provide opportunity for English conversation and help with chores. Miriam also taught a series of drawing classes for the Foundation and the architecture students. I gave a five-minute dinner presentation on religion and on a few occasions I jammed with the students using the typical Ladakhi kettle-drums that are usually played with heavy sticks. Once my clarinet had gotten used to the high altitude and dry milieu I was able to resume practicing. I never really got the hang of the Ladakhi tunes the students sang all the time, some of which we recorded, but on my own time I made it through most of Real Book, vol. I. (On the very last day, one of the pads (the Eb flat valve) came off and that was that.)

Playing "Simon Says" in the SECMOL dining hall, a warm-up for conversation class. (Center: Norbu Namgyial)

Playing "Simon Says" in the SECMOL dining hall, a warm-up for conversation class. (Center: Norbu Namgyial)

For the students, a typical day starts at 5:30 (if you have kitchen duty) or 6 am, with morning exercise followed by "introspection." The days were filled with course-work in English, Ladakhi history, Hindi and Urdu study, conversation class, and most recently with preparatory sessions for the upcoming round of exams. Between 9 and 11 the students take turns for an hour of work around campus as needed and in the afternoon they each have other responsibilities to attend to. One student staffs the small campus store, others are assigned as tour guides for visitors. (SECMOL is well known and attracts many Indian tourists, professionals, and personnel from the nearby military units.) Dinner is around 7pm and includes organizational announcements, student and other presentations, the singing of a Ladakhi "flok-song" and introspection, followed by a scheduled evening activity. The day officially ends at 10pm but the students around us were often awake, talking and singing until midnight, and eventually fell asleep with their lights on.

Most of the students are from Buddhist families. Their villages represent different regions of Ladakh that follow one of four different Buddhist traditions. A small number of students are Muslims. We  learned from one of the student presenters that some families are mixed religious and that the different parts of these families honor one another's religious traditions. An Indian visitor who heard the presentation commented that Ladakh must be the happiest place in all of India as he was unaware that such tolerance obtained anywhere else. (Despite the occasional assurance to the contrary, Hindu-Muslim relations were a topic of concern for many of the people we talked to anywhere we went.)

 

Moms making in the dining hall.

Momo making in the dining hall.

(To be continued)

Salawas Village

Looking east from "Hanuman" sanctuary, Salawas village.

Looking east from "Hanuman" sanctuary, Salawas village.

 

Feb 22. Two days ago we flew from Cochin International Airport to Delhi and on to the town of Jodhpur in Rajasthan where we were picked up by Shambu, the second-oldest son of Chottaram Prajabat, owner of a homestay and weaving business in Salawas village catering to foreign tourists. We are here courtesy of Carpediem Residency, an artists and writers residency run by film-maker Shivajee Chandrabhushan and his wife Triparna Banerjee. Shivajee is the director and producer of "Frozen" (2007), a prize-winning independent film. Triparna was among the first group of script writers for the Indian version of Sesame Street. She works with a group called Pop-up Talkies that brings Indian independent films to non-traditional venues across the country, among other things. Miriam and I share the residency with Johanna, a novelist and documentary film-maker from Finland, Moksha (a Pratt-trained painter from Mumbai), Pat and Lukas from Valencia (she is Spanish, he is German; Pat does fine-arts, Lukas composes and arranges techno-music for theater), and Filipa (a painter from Portugal who currently lives and studies in Tokyo).

It is too early to say much about Rajasthan or life in Salawas Village, but it strikes us as very different from Kerala. Kerala is green, the people are highly educated even in rural areas, and there is a degree of equality between the genders, at least historically and in comparison with North India. Jodhpur is in the desert, the village is dusty and monochrome, people are poor and less educated, the first impression is less hospitable in nature and culture. Married women veil themselves in the presence of their in-laws, but the logic of veiling or not may also be affected by our presence. People on the street stare at us and don't necessarily return our greetings. Many children are out and about (some young ones naked) and they accost us with calls of "one pen" or "selfie" or gawk at us as incuriously as some of the grown-ups. None of this was the case in Kerala where, when you met someone's gaze, they would invariably smile and recognize you with their characteristic head-waggle.

Our hosts are part of a clan that has friends and foes in the village. We were told (by the teenage son) only to shop at stores that are part of this network of families and avoid the others. When we walk around we feel we're on a stage, exposed, seen as not classifiable other than potential sources of money.

The second day of walking around (just Miriam and I) mitigated our first impressions. A young woman invited us into her house and showed us around with pride and without ulterior motives, much as we were treated in Kerala.

Our little group is still finding itself. Miriam had hoped to replicate her experience from the three weeks at the Palette People residence, but everything is different here and we will have to figure out how best to use our time. We have two weeks.